NRV Olympic Team Kiterin Leonie Meyer  geht einen taffen Weg: Die 'Kite-Mom' absolvierte im September ihr zweites Staatsexamen der Humanmedizin, um nur wenig Tage später in den internationalen  Wettkampfzirkus zurückzukehren. Seither nutzt sie Tag um Tag und trainiert für ihr Comeback an die Spitze der Kiterinnen. Persönliche Einblicke in das Leben einer Spitzensportlern mit Baby, Staatsexamen, Hund und Partner:

»Hallo liebe Freunde und Unterstützer des NRV Olympic Teams!

6 Monate ist es her, dass unser Sohn zur Welt kam. Einen Monat ist es nun her, dass ich mein zweites Staatsexamen in der Humanmedizin abgelegt habe. 3 Wochen ist es her, dass ich an der Weltmeisterschaft in der olympischen Formula Kite Disziplin teilgenommen habe. Das letzte halbe Jahr war das wohl aufregendste meines Lebens. Es stand vor allem im Zeichen des Eltern Werdens und des Abschlusses meines theoretischen Studiums und etwas weniger im Zeichen des Sportes, als ihr es sonst von mir gewohnt seid. Aus diesem Grund hat es auch für mich auch diesen weiteren Monat gebraucht, um euch zu berichten. Ein Monat, in dem für mich der Sport wieder an erster Priorität stand. Ein Monat, in dem ich im Schnitt 6 Tage die Woche auf dem Wasser war und ein Monat, den wir als Familie komplett im Van wohnen.

Die Weltmeisterschaft gleich zu Beginn dieser Zeit lag für mich natürlich nicht ganz optimal in der Trainings- Wettkampfs-Planung. Dies ließ sich aber nicht ändern, da das Examen nun einmal nur vier Tage vor der ersten Wettfahrt beendet war und ich mit meinem Kopf in den letzten Wochen verständlicherweise eher bei Medikamentennamen und Erkrankungen war, als bei Wenden und Halsen. So wurde ich in den Wettfahrten trotz guter Top 5-10 Platzierungen an der Luvtonne häufig aufgrund von Geschwindigkeitsdefiziten weiter nach hinten durchgereicht. Ich erreichte um nur einen Platz das Goldfleet nicht, zum ersten Mal in meiner gesamten Karriere. Das war frustrierend und ich war unzufrieden mit meiner Leistung.

Natürlich lässt sich leicht sagen: Was hast du erwartet? Schau mal auf das, was du in diesem Jahr schon erreicht hast. Aber der Kopf eines Sportlers funktioniert so nicht. Dann ist es schade, dass man mit einem Examen, das man mit Neugeborenem zuhause bestanden hat und einem wunderbaren Sohn, den man gesund zur Welt gebracht hat, nicht mit sich zufrieden sein kann, weil man ja aber auch noch gleichzeitig in die Top 10 der Welt beim Kitesurfen fahren wollte.

Es hat so einige Tage gebraucht, dass ich mir zugestehen konnte, dass ich nicht versagt habe mit meinem 27. Platz bei der Weltmeisterschaft. Die Flotte ist stark geworden, wir haben viele neue Teams aus unterschiedlichsten Nationen, die zuvor andere olympische Disziplinen bestritten haben. Darüber freue ich mich sehr, denn unser Sport gewinnt an immer mehr Aufmerksamkeit. Auf der anderen Seite wächst der Druck und die Leistungsdichte. Umso mehr sind wir als deutsches Team nun froh, dass wir endlich einen Bundestrainer haben, der uns auch in Trainingslagern unterstützen wird. Chris Rashley ist Brite und hat schon lange Zeit Kontakt zu foilenden Segeldisziplinen. Außerdem hat er einige Monate bei dem britischen

Kite Team gelernt und ist gut im Kite-Handling ausgebildet. Während der WM konnte er uns kennenlernen und begleiten und ich freue mich darauf, in vier Tagen das erste Trainingslager mit ihm zu bestreiten. Mein erstes Trainingslager überhaupt mit einem Bundestrainer.

Darian, Levi, unser Hund und ich wohnen seit einem Monat im Van. Die ersten Wochen auf Sardinien und nun seit knapp einer Woche auf den Kanaren und ich trainiere hier jeden Tag. Das Wetter ist toll, Levi genießt die Zeit mit Mama und Papa und es bieten sich tolle Trainingsbedingungen. Flo Gruber wird in zwei Tagen ebenfalls auf die Insel kommen. Dann wird das Training nochmal um einiges effektiver werden, da wir dann angleichen und Material testen können. Im Anschluss an das zweiwöchige Training mit Coach Chris werden wir am World Cup auf Fuerteventura und dann am World Cup auf Gran Canaria teilnehmen. Ich bin total gespannt, wie sich meine Leistung nach dem harten Training verbessert haben wird und wie ich mich im Frauenfeld platzieren werde. Bis dahin gilt es, so viele Wasserstunden wie möglich zu sammeln.

Dieser und die nächsten 5 Monate stehen ganz im Sinne meines Wiedereinstiegs. Darian hat 6 Monate Elternzeit, die wir dafür nutzen, an die Orte der Welt zu reisen, die mir die besten Trainingsbedingungen und Trainingspartner liefern. Bis Weihnachten verbringen wir die Zeit im Van auf den Kanaren und in Spanien. Ich kann mir nach diesem Monat schon kein anderes Leben mehr vorstellen. Levi spielt mit Darian auf dem Bett oder draußen vor dem Van im Schatten, während ich meine erste Session mache. In meiner Mittagspause geht Darian surfen oder kiten. Levi isst Brei und ich Baguette. Anschließend wird wieder getauscht und Levi schläft in der Trage bei Papa, während ich noch ein paar Manöver übe. Obwohl wir uns beim Packen für diese drei Monate sehr einschränken mussten, der Großteil unserer Kleiderschränke zuhause geblieben ist und wir natürlich weder Spühl- noch Waschmaschine haben, fehlt es uns an nichts. Wir genießen es, jeden Tag von den Wind- und Wellengeräuschen geweckt zu werden und kommen hervorragend mit wenig Wasser und Strom aus.

Nun baut sich der Wind baut sich draußen langsam auf, daher geht’s jetzt für mich wieder ans Material aufbauen für die nächste Trainingseinheit. Ich sende euch ganz liebe Grüße nach Deutschland,

Leonie und Familie«