In diesem Jahr veranstaltete der Royal Ocean Racing Club zum fünfzigsten Mal das legendäre Fastnet Race von Cowes zum Fastnet Rock und zurück. Zum zweiten Mal lag das Ziel nun in Cherbourg und nicht mehr wie zuvor in Plymouth. Wir sind das Jubiläumsrennen mit unserer Pogo 44 "MarieJo" gesegelt: Es war ein stürmisches, aufregendes, forderndes und insgesamt sehr schönes Rennen, das wir so schnell nicht vergessen werden!

Wir traten mit einer sechsköpfigen Friends-and-Family Crew an, für die mein Vater Berthold Brinkmann und ich noch Florian Spalteholz (NRV Olympic Team, Olympiateilnehmer im Tornado 2008), Sönke Boy (470er Legende, Deutscher Meister Melges 24), Tom Bernstein (reichlich Fastnet-Erfahrung, Cowes Local) und Martin Buck (Boat Captain und äußerst erfahrener Offshore-Segler) gewinnen konnten.

In Cowes war der NRV zudem bei den Class 40 sehr gut vertreten mit Lennart Burke und seiner neuen Pogo S4 "SIGN FOR COM" sowie Sebastian Ropohl auf seiner "Cantaloop40". Hinzu kamen vom HVS noch die "Haspa Hamburg" und "Störtebeker".

Der Start im Solent war ein seglerisches Erlebnis der besonderen Art: Zunächst beobachteten wir die spektakulären Starts der riesigen 100ft Ultim-Trimarane, der ca. dreißig IMOCA-Teams und der Class 40. Dann gingen wir in einer der größten Startgruppen (IRC 1) mit etwa hundert anderen Schiffen an den Start und ebenso wie im Drachen auf der Alster musste man sich reichlich Mühe geben, Kollisionen in dem dichtgedrängten Feld zu vermeiden. Auf der Kreuz durch den Solent nahmen Wind und Seegang stetig zu und am Ausgang des Needles Channel hatten wir dann 35-45 Knoten Wind, mitlaufenden Strom und etwa 3-4 Meter Seegang! Da stellte sich dann schon ein bisschen die Frage, warum man sich und dem Schiff eigentlich solch extreme Bedingungen auf dem Wasser zumutet... All zu sehr konnten wir darüber aber zum Glück nicht nachdenken, denn es brauchte volle Konzentration und zwei fest mit dem Boot verbundene Hände, um überhaupt heil durch diese Waschküche durchzukommen!

Ingesamt gab es eine Vielzahl von Aufgaben und auch reichlich Bruch (z.B. Mastbrüche, strukturelle Rumpfschäden). Von den etwa 440 teilnehmenden Yachten gaben 179 Schiffe das Rennen auf. Leider ist auch ein Schiff kurz nach Passage der Needles gesunken, es handelte sich um die SunFast 3600 eines französischen Double-Hand Teams. Die Besatzung wurde von den englischen Seenotrettern (RNLI) zum Glück schnell aus der Rettungsinsel geborgen und ist wohlauf. In der ersten Nacht kämpfte sich das Feld dann bei weiter stürmischen Bedingungen und schwerem Seegang westwärts Richtung Portland Bill. Im Laufe diese Nacht war auf Kanal 16 einiger Mayday-Funkverkehr zu hören und die Seenotretter waren vielfach im Einsatz. Auch auf diesem Weg drehten weitere Teams Richtung Poole oder Weymouth ab, zum Teil aufgrund von Materialschäden aber teilweise auch, um dort auf besseres Wetter zu warten. Wir blieben von Bruch verschont, wofür wir einerseits dem Schicksal, vor allem aber unserem Boat Captain Martin Buck dankbar sein können, denn er hatte das Boot wirklich hervorragend vorbereitet.

Am folgenden Tag kreuzten wir weiter bei nun endlich abnehmendem Wind entlang der englischen Südküste und passierten Lyme Bay, Start Point und in der folgenden Nacht Lizard Point und schließlich Land's End. Hier mussten wir taktisch entscheiden, ob man das Verkehrstrennungsgebiet Land's End südlich oder östlich passiert, aber aufgrund des mit der nächsten Tiefdruckfront erwarteten Rechtsdrehers blieb das Feld doch weitgehend zusammen, kreuzte direkt hinter Land's End Richtung Norden auf und passierte das VTG östlich. Dann folgte ein wirklich beeindruckender Tag in der Irischen See: Im Morgengrauen nahm der Wind stark zu, drehte dabei wie erwartet auf nördliche Richtung und erreichte in Böen bis zu 35 Knoten. Im Laufe des Vormittages riss dann auch der Himmel auf und bei starkem Wind, Sonne und längerer Welle rauschten wir auf einem tiefen Amwind-Kurs mit Backbord-Bug Richtung Fastnet Rock. Das war großartiges Hochsee-Segeln!

Nach insgesamt etwa 400 Meilen Kreuz erreichten wir den Fastnet Rock vor der Küste Irlands am Mittag des nächsten Tages. Dort herrschte nur leichter Wind und das Wasser war für kurze Zeit spiegelglatt. Dadurch konnten wir Ölzeug trocknen, eine Segelreparatur durchführen und mein Vater kochte uns eine ordentliche Portion Rindergeschnetzeltes. Bei glatter See beobachteten wir auch eine Vielzahl von Meerestieren um uns herum: Eine Delphinschule jagte in der Nähe offenbar einen Fischschwarm, einzelne Delphine kamen zu unserem Boot und begleiteten uns ein Stück. Seehunde reckten die Köpfe aus dem Wasser, betrachteten uns eine Zeit lang und verschwanden wieder. Und in etwas Entfernung sahen wir immer wieder die Fontänen von mehreren Walen.

Aufgrund des ruhigen Wetters passierten wir den Fastnet Rock im Abstand von nur etwa 50 Meter und gerieten sogar für einen Moment in seinen Windschatten. Natürlich haben wir dort eine ganze Menge Erinnerungsfotos geschossen und den kurzfristig verfügbaren Mobilfunkempfang dafür genutzt, Meldung in die Heimat abzugeben und neue Wetterdaten für das Routing auf den Bordrechner herunterzuladen.

Der Rückweg war dann bei langsam zunehmendem Wind ein schneller Raumschotsgang, auf dem jedes unserer Downwind-Segel einmal seinen Einsatz fand. Nach Passage der Scilly Islands an Backbord-Seite bogen wir wieder in den englischen Kanal ein und dort - als hätten wir davon noch nicht genug gehabt - nahm der Wind dann am letzten Abend noch einmal auf 25-30 Knoten zu. Unter Gennaker fuhren wir mit bis zu 20 Knoten im Dauer-Surf bis wir uns nach ein paar schweren Steckern dann irgendwann entschlossen, die letzte Passage von der Kanalinsel Alderney über das Cap de la Hague ins Ziel bei Cherbourg etwas ruhiger angehen zu lassen und auch den kleinsten Gennaker endlich einzupacken. Aber so einfach wollte uns Rasmus offenbar noch nicht vom Haken lassen, denn plötzlich hörten wir einen leichten Aufprall am Rumpf und auf einmal bremste unser Schiff stark ab und war bei großem Ruderdruck kaum noch manövrierbar. Mit backstehender Fock konnten wir das Boot dennoch wenden und auf einen Kurs in entgegengesetzter Richtung bringen. Dadurch wurden wir die Trosse, die wir uns am Ruder vermutlich von einem Lobster-Pot oder sonstigem Fischer-Geschirr eingefangen hatten, wieder los und konnten unsere Fahrt ins Ziel zum Glück fortsetzten. Die Ziellinie passierten wir als 79. von 415 gemeldeten Einrümpfern nach rund 800 gesegelten Meilen. Berechnet bedeutete das den 4. Platz in IRC 1a und den 30. Platz in IRC 1. Als (ambitionierte) Familien-Crew waren wir damit angesichts des hochklassigen Feldes und der fordenden Bedingungen sehr zufrieden!

Eine wirkliche Glanzleistung ist aber vor allem Lennart Burke und Melwin Fink bei den Class 40 gelungen, denn in dem ganz überwiegend mit absoluten Profis bestückten Feld konnten Sie den 4. Platz erringen. In diesem starken Feld hat sich auch Sebastian Ropohl mit einem 13. Platz sehr gut behauptet. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass nur drei Boote im Feld eine ältere Baunummer als seine "Cantaloop40" trugen.

In Cherbourg angekommen wankten wir mit noch etwas wackeligen Landbeinen zur 24h-Crew-Bar und tranken zur Feier des erfolgreich absolvierten Fastnet Race um 6:00 Uhr morgens einige Frühstücks-Biere und fielen dann in die Kojen. Trotz aller Widrigkeiten können wir die Teilnahme am Fastnet Race uneingeschränkt zur Nachahmung empfehlen! Es ist aus gutem Grund "Europe's most iconic yacht race".

Fotos: ©privat, Carlo Borlenghi, Rick Tomlinson, Paul Wyeth