Die Brise jagt das Beast. ©privat
Das Vegvisir Race ist die wohl größte Doublehand-Regatta in Nordeuropa. Sie startet und endet in Nyborg. Der Veranstalter wirbt mit pechschwarzem Nachtsegeln und einem spannenden Wechsel von engen Küstenabschnitten mit größeren Seegebieten. Er teilt die Schiffe in verschiedene Kategorien ein, z.B. Mini, Small, Medium etc. Eine Vergütungsregelung gibt es nicht. Die Teilnehmer können zwischen drei verschieden langen Kursen wählen.
Wir haben uns für die mittlere Distanz mit 167 Seemeilen entschieden und starten in der Gruppe Small bis 30 Fuß, zusammen mit modernen Schiffen wie der Aeolos P 30 („The Beast“) oder einer Dehler 30od. Kommen wir gegen diese hochgezüchteten Rennziegen an? Die „Kleine Brise“ ist von 1939. In den 1990er Jahren hat der Bootsbaumeister Brar Okke Braren ihr ein Refit verpasst. 2023 hat der Eigner ihr ein neues Großsegel zusammen mit einem Carbonmast, Carbonwanten und hochmodernen Wantenspannern spendiert. Letztere werden noch eine besondere Rolle spielen…
Unser Start ist um 18.20 Uhr, nach dem Singlehand Start und vor den größeren Schiffen. Erst mal eine halbe Meile Anlieger zur Luvtonne vor dem Hafen in Nyborg bei 1 Bft. Luvtonnenrundung auf Platz 4 hinter der AP 30, aber vor der Melges 24 und der Dehler 30od. Schon mal ganz OK. Die „Kleine Brise“ braucht eine kleine Brise, um ins Laufen zu kommen.
Die kleine Brise kommt dann auch, der Tracker sieht uns nach 3 h in der Gesamtwertung auf Platz 4. Wir haben uns also an die zuvor gestarteten Einhandsegler angepirscht. Inzwischen hat der Vollmond die Sonne ersetzt. Zum Glück also doch keine pechschwarze Nacht. Vor Rudköping überholt uns die Melges. Auf Platz 5 geht es auf die Kreuz Richtung Marstal. Vorher wechseln wir auf die G 3. Kurz vor Marstal sieht uns der Tracker hinter der Melges auf Platz 2. Wow! Wo ist denn „The Beast“ abgeblieben? Leider immer noch vor, der Tacker ist auf der Kreuz nicht so genau…
Egal, ab Marstal erst mal Richtung Bagenkop. GeCo hoch/G3 runter. Möglichst nie ohne Vorsegel unterwegs sein. Dann immer Richtung Osten den Fehmarn Belt runter. Spi hoch, Surfen auf der Welle Richtung Gedser an Rödby vorbei. Vollmond, rote Stirnlampe, angeleint, bis zu 15 kn Speed. So kann es ewig weitergehen. Nur die Baustelle für den Fehmarnbelt-Tunnel müssen wir sauber umrunden, die Wachschiffe haben uns im Visir.
Doch dann, Ruderbruch… Spi sofort runter… Doch kein Ruderbruch, nur die Sicherheitsauslösung, falls man mal gegen einen Stein (oder über 15 kn?) fährt. Ruder wieder runterklappen ist einfach, aber der Spi wickelt sich natürlich um das Vorstag und den aufgerollten GeCo. Wir liegen auf Platz 6, „The Beast“ auf Platz 5. Das wird jetzt eng, aber wir sind immer noch mit 7 kn unterwegs Richtung Osten. Gefühlt 1 h später ist wieder alles klariert. Aber da sind wir auch schon kurz vor Gedser. Genaker hoch, Halse, Platz 8 der Gesamtwertung. Die Sonne geht wieder auf.
Was machen denn die „Tre Makreler“ hier? Ok, die sind Mini, also nicht unsere Gruppe. Aber trotzdem. So eine J 70 geht beim planen ganz schön ab. Die können wir nicht halten und liegen bald auf Platz 9. Never give up, unsere beste Zeit wird noch kommen. Bei Glattwasser zwischen Falster und Mön auf der Kreuz bis Nyborg. Wenn es gut läuft, sind wir vor Sonnenuntergang zurück.
Es läuft aber nicht gut. Kurz vor Gedser, ziemlich genau 13 h nach dem Start, macht es „Peng!“. Das Bb-Oberwant fliegt durch die Luft, die untere Saling hinterher, das Masttop weht gefühlte 3 m nach Lee aus. Oh Mann, das war’s wohl. Doch nein, das Carbonteil peitscht zurück und steht. Sofort abfallen, Segel runter, Halse, Stb-Wanten belasten. Kurz orientieren: Mast mit den Spifallen verstagen, Oberwant auf Klampe mit Zeiser binden, G 4 setzten. Anlieger nach Gedser in den Fischereihafen. Abmelden bei der Regattaleitung. Was ist eigentlich passiert? Eine Bonze/Alu-Hülse, die das Wanten-Terminal mit dem Pütting verbindet, ist gebrochen.
Im Fischereihafen von Gedser helfen uns eine Hanse-Crew und der Hafenmeister. Kranen? Da könnt ihr Montag einen mobilen Kran bestellen. Oh Nein, das setzt noch mal alle Kräfte frei. Wir nehmen die Hülse vom Unterwant, basteln das Unterwant aus Dynema und schrauben/bändseln die Saling wieder fest. Die Hanse-Crew und der Hafenmeister unterstützen mit Bohrmaschine, Bohrern und aufmunternden Worten. Danke dafür auch an dieser Stelle. Hilfsbereitschaft zu erfahren, ist ein tolles Erlebnis. Wir sind nach 3,5 h wieder auf dem Weg und melden uns bei der Regattaleitung zurück, inzwischen allerdings auf Platz 55 und mit angezogener Handbremse. Never give up!
Der Rest ist schnell erzählt. Ankunft nicht kurz vor Mitternacht in Nyborg, sondern wir bekommen noch schöne Winddreher immer wieder auf die Nase. Die Gegenstromanlage im Großen Belt geht auch noch an. Also noch eine 2. Nacht. Ankunft im Ziel nach gefühlt ewiger Kreuz, tatsächlich etwas über 36 h nach dem Start. Die Sonne ist schon wieder aufgegangen und wir hauen uns erst mal hin. Platzierung egal, Hauptsache Schiff heil und alle gesund.
Kleiner Epilog mit der Stellungnahme des Wantenherstellers: This is a shocking failure.
Outstanding seamanship by the crew to keep the mast up. Of course this should never happen, and we are truly sorry for this incident. Those threaded aluminum bronze fitting are of the older style, which we have updated to a new version, with hidden thread. Ja, so etwas darf nicht vorkommen. Kann es aber. Die Reaktion des Wantenherstellers ist exzellent und wir freuen uns auf das neue Design und das Vegvisir 2024. Never give up!
Nach dem Zieleinlauf: Niklas Ganssauge und Markus Schöner. ©privat